Die Stadt

Erschienen in: Mitschrift, Martin Werhand Verlag (2014)

Über den Dächern, über der Stadt,
hoch oben, haben wir alles im Blick,
das passt so gut zu der Stadt,
deren Namen ich nicht nennen werde,
ich will ihre Gassen beschreiben,
die Häuser, den Himmel über ihnen und
vielleicht auch die Augen und

das Lachen in ihr, sie möchte, dass es dir
gut geht, dass du Energie in dir hast, vielleicht
möchte sie auch, dass du das Bild
nicht trübst, verschenke deine Energie,
sagt die Stadt, an mich, oder sie flüstert es,
gib sie frei heraus, bis du müde genug bist,
um schlafen zu können, und im Schlaf
kehrt die Energie geheimnisvoll zu dir
zurück durch das ewige Labyrinth

der Stadt, sie ist ewig, und sie verlangt
nach dir bis zu deinem ewigen Schlaf,
Stadt am Meer, Stadt in den Bergen, suche
es dir aus, es ist ein Fließen in ihr, das niemals
aufhört und durch ihre Gassen weht
ein Wind, bläst dir frisch entgegen,
durchwirbelt auch den Gestank des Todes,

ich wollte von den Augen sprechen, sie
haben viel gesehen und funkeln davon,
und sie funkeln, weil sie noch mehr
sehen wollen, die Augen in den Gassen,
zwischen den Häusern der Stadt,
unter dem Himmel, den du erkennen wirst,
ganz gleich, ob er blau und nackt ist,
oder von Wolken verhangen, du weißt,

von welcher Stadt ich spreche, ihre Gesichter
schauen zwischen den Zeilen hervor,
schöne Gesichter, manche sind es am Abend,
schön, andere in den Morgenstunden, es ist
die Stadt, in der alle Sprachen ähnlich klingen,

in ihren Gassen passiert es manchmal,
dass Menschen zu Dichtern werden,
im Hindurchschreiten und Vorübergehen,
sie bekommen die Augen des Dichters,
die Stadt schenkt sie ihnen und
wenn sie mutig sind, erzählen sie
davon, erzählen es den Menschen, mit
denen sie Gläser heben und Teller leeren,
und die mit ihnen zusammen lachen,

hier steht die Stadt, und sie ist unser
Werk, wir betrachten sie mit Stolz,
die Gebäude, die wir errichtet haben,
und die Gassen, endlose Gassen,
durch die wir unaufhörlich wandern, wir

beleben die Winkel und Türen und Fenster,
mit unseren Augen, mit unseren Lippen,
die sprechen und an Gläsern hängen
und an anderen Lippen, wir danken
dem Leben, lassen den Tod nicht gelten und
in den Morgenstunden leuchtet die Sonne
auf den getrockneten Spuren der Nacht, glitzert
in den Gläsern, die wir stehen ließen,

es ist unausweichlich, Lebewohl zu sagen,
adieu Stadt, wir überlassen dich Fremden,
sie werden dein Gesicht verändern, deine
Gassen, Plätze, Straßen und Häuser,
nur der Himmel bleibt gleich und während
wir weiter ziehen, gestehen wir frei,

dass wir eifersüchtig sind, wir sind in der Stadt
zu Kindern geworden, zu ihren Handwerkern
und Architekten, wir werden sie nicht
überleben und bleiben doch ihre ewigen Gäste.

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